Tagesexkursion an jüdische Orte im Raum Schweinfurt, 25.05.2014

Ehemalige Synagoge und heutige Gemeindebibliothek in Niederwerrn, Foto: Dr. Rotraud Ries
Ehemalige Synagoge und heutige Gemeindebibliothek in Niederwerrn, Foto: Dr. Rotraud Ries
Blick in die Judengasse in Schweinfurt, Foto: Dr. Rotraud Ries
Judengasse in Schweinfurt, Foto: Dr. Rotraud Ries
Platz der ehemaligen Synagoge mit Gedenkstein und Erläuterungstafeln in Schweinfurt, Foto: Dr. Rotraud Ries
Gästeführer und Reichsschultheiß Leo Jäger in Gochsheim, Foto: Dr. Rotraud Ries
Standort der ersten Synagoge in Gochsheim, Foto: Dr. Rotraud Ries
Gruppenfoto im Judenhof in Gochsheim, Foto: Josef Laudenbacher
Waschtisch im Tahara-Haus des jüdischen Friedhofs in Schwanfeld, Foto: Dr. Rotraud Ries
Gästeführerin Petra Schmid auf dem jüdischen Friedhof in Schwanfeld, Foto: Josef Laudenbacher
Der jüdische Friedhof in Schwanfeld, Foto: Dr. Rotraud Ries
Der jüdische Friedhof in Schwanfeld, Foto: Dr. Rotraud Ries

Die sechste Exkursion des Kooperationsprojekts „Landjudentum in Unterfranken“ führte in den Raum Schweinfurt und fand am Sonntag, den 25. Mai 2014 statt. Besucht wurden Niederwerrn, Schweinfurt, Gochsheim und der jüdische Friedhof in Schwanfeld. Insgesamt 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmer nahmen an der Fahrt und den Führungen teil.

In Niederwerrn bestand bereits seit dem 17. Jahrhundert eine jüdische Gemeinde, die bis ins Jahr 1942 existierte. Das frühere jüdische Schulhaus mit Lehrerwohnung und Ritualbad (Mikwe), das heutige Alte Rathaus, sowie die ehemaligen Synagoge sind bauliche Zeugnisse der jüdischen Geschichte Niederwerrns. Die Synagoge wurde kurz nach dem Novemberpogrom 1938 von der Gemeinde Niederwerrn gekauft und ab 1958 mehrfach umfunktioniert. Heute beherbergt das Gebäude in Respekt vor seiner ursprünglichen Funktion die Gemeindebibliothek.  

Die Führung, die unter anderem auf den jüdischen Schulbetrieb vor Ort einging, übernahm die Heimatforscherin Gertrud Hofmann. Dabei fand auch Julius Neuberger, der letzte Lehrer der Elementarschule in Niederwerrn, Erwähnung, der von den Nationalsozialisten ermordet wurde.

In Schweinfurt, der zweiten Station der Exkursion, ist eine jüdische Gemeinde bereits seit dem beginnenden 13. Jahrhundert nachweisbar. Die noch vorhandenen Quellen berichten insbesondere von Verfolgungen im Zuge des Rintfleisch-Pogroms (1298) und der Pest. Im Jahr 1368 erhielt die Stadt durch Kaiser Karl IV. erneut die Erlaubnis, Juden aufzunehmen: Als Kammerknechte des Kaisers standen sie zwar unter dessen Schutz, mussten jedoch hierfür beträchtliche Schutzgelder bezahlen.

Bei einem Spaziergang führte die Forscherin Elisabeth Böhrer die Gruppe zu verschiedenen Plätzen, an denen bauliche Zeugnisse Schweinfurter jüdischer Geschichte zu sehen sind.  Die 1874 erbaute Synagoge in der Siebenbrückleingasse 14 wurde nach 1938 zweckentfremdet und schließlich 1943 bei einem Bombenangriff zerstört. Seit 1973 verweist ein Gedenkstein am Platz der ehemaligen Synagoge auf die jüdische Geschichte der Freien Reichsstadt. Dieser wurde im Jahr 2008 vom hinteren Bereich des Synagogenplatzes vorverlegt und um eine Erläuterungstafel ergänzt, die 2013 (zur Erinnerung an die Novemberpogrome vor 75 Jahren) gegen Erläuterungsstelen ausgetauscht wurde. Über den genauen Standort der mittelalterlichen Synagoge kann bis dato keine eindeutige Aussage getroffen werden. Die Judengasse verrät schon durch ihren Namen einen historischen Bezug zur dortigen jüdischen Geschichte. Hier befanden sich die mittelalterliche Synagoge und Mikwe von 1479 bis zur Vertreibung von 1555.

In Gochsheim leitete die Gruppe Gästeführer Leo Jäger. Erste Quellennachweise zu Juden in Gochsheim stammen aus dem Jahr 1409. Eine jüdische Gemeinde bestand vom 16. Jahrhundert bis ins Jahr 1937. Aus dieser Zeit stammen mindestens zwei Synagogen, die heute beide nicht mehr in ihrer Ursprungsform zu sehen sind. Der erste Bau entstand vermutlich im 16. Jahrhundert und befand sich nahe der Pfarrkirche. Dessen Mauern sind wahrscheinlich in einem heutigen Anbau aufgegangen. Die spätere Synagoge im Judenhof stammt von 1652/1654 und ist inzwischen ein privates Wohnhaus ohne äußere Spuren seiner einstmaligen Nutzung.

Leo Jäger berücksichtigte in seiner Führung einzelne Schicksale jüdischer Bürger von Gochsheim. So erfuhr man zum Beispiel von dem Lebensweg der Familie Rosenbusch. Frieda Panzer, Tochter von Max Rosenbusch und verheiratet mit dem nicht-jüdischen Elektriker Wilhelm Panzer, überlebte als Einzige den Holocaust im Ort. Die anderen jüdischen Bürger hatten mit Ausnahme der Geschwister Strauß, die 1942 von dort deportiert wurden, zwar rechtzeitig den Ort verlassen, doch nur einem Teil gelang es, in der Emigration zu überleben.

Als vierte und letzte Station wurde der Schwanfelder Jüdische Friedhof angesteuert. Auf einer Größe von 17.850 Quadratmetern zählt er über zweitausend Grabsteine, die zwischen 1579 und 1939 gesetzt wurden. In rund 350 Jahren wurden hier Juden aus insgesamt zwölf Ortschaften beigesetzt, unter anderem auch aus Gochsheim. Nicht alle Steine sind erhalten oder noch ganz zu sehen: Im Laufe der Jahrhunderte wurden sie unleserlich, kippten um oder versanken in der Erde.

Petra Schmid, die die Führung der Gruppe übernahm, zeigte ausgewählte Grabsteine und erklärte deren Symbole (wie z.B. die segnenden Hände der Kohanim, der Priester, die auf Angehörige aus dem Stamm der Kohen hinweisen). Die Rituale und Bräuche jüdischer Bestattungen erläuterte Frau Schmid im ehemals zweigeschossigen Tahara-Haus. Der Begriff „tahara“ leitet sich von „tahor“ ab und bedeutet „rein“. Hier wurde die Leichenwaschung nach den Regeln der Halacha, des jüdischen Religionsgesetzes, durchgeführt.

So wie diese Exkursion in den Raum Schweinfurt, sollen Angebote dieser Art Interessierten die Möglichkeit bieten, die sichtbaren Spuren jüdischer Geschichte im Raum Unterfrankens kennen zu lernen. Bislang wurden Ausflüge in die Landkreise Haßberge und Würzburg sowie in die Stadt Aschaffenburg und nun in den Raum Schweinfurt unternommen. Für das Kooperationsprojekt erfüllen die Exkursionen jedoch zugleich die Funktion, die Grundlagen für die touristische Erschließung der jüdischen Landschaft zu leisten, wie sie in Form von Themenwegen, Broschüren oder App’s vorbereitet werden. Eine weitere Exkursion in den Landkreis Main-Spessart ist für den 28. September 2014 geplant.

Start: 
Sonntag, 25. Mai 2014